Reise zu den Monti Sacri im Piemont. Teil 7

Mein Weg nach Locarno zu Cristina und Kobi in Orselina, die mich über Pfingsten eingeladen hatten, führte über den Monte Mottarone nach Stresa – eine richtige Passfahrt. Sie wurde sanft gestoppt durch eine mächtige Schafherde, begleitet von mehreren Ziegen, Eseln, Hunden und einem jungen Schäfer. Von der Passhöhe aus sollen sieben Seen zu sehen sein – es war jedenfalls eine grössere Anzahl, die im Dunst aufschimmerte. Gegen Stresa zu fiel ich Wegelagerern in die Hände: eine Schranke, an der man für die Benutzung der Mottarone-Strasse einen Tribut zu entrichten hatte.

Stresa mit seiner üppigen Flora von Palmen, weiteren Exoten und vielen Rosenbüschen in den grossen Privatgärten, welche prächtige Villen umgeben, entspricht dem Inbegriff eines norditalienischen Städtchens. Und es wurde wieder richtig warm – der Höhenunterschied von 1300 m war deutlich bemerkbar.

Der Langensee machte seinem Namen alle Ehre. Den letzten meiner Monti Sacri in Ghiffa zu finden, stellte sich als ein eher vertracktes und wenig ergiebiges Unternehmen heraus. Freilich ist seine Lage oberhalb des Sees wiederum zauberhaft, aber seine Ausführung blieb in ihren Anfängen stecken, und so besteht er aus nur fünf Kapellen, deren Inneres praktisch nicht erkennbar ist. Dafür gelangte ich bei dieser Suche auf die alte Strasse, die auf mittlerer Höhe dem See folgend angelegt wurde, mich durch kleine Ortschaften führte und mir herrliche Ausblicke verschaffte. Von oben erblickte ich Brissago mit seinem berühmten Inselschiff und die borromäischen Inseln, die ich mir jedoch für ein anderes Mal aufsparte, um die Uferstrasse in aller Ruhe geniessen zu können.

Meine Freunde in Orselina zu finden war überhaupt kein Problem, es ging einfach immer geradeaus bis Locarno und dann eine ganze Weile den Berg hoch. Frohes Ankommen bei lieben Leuten mit unglaublich viel Pflanzen und Blumen um und im Haus.

Am Sonntag starteten wir zu einem Ausflug zu einem anderen Weltkulturerbe: die drei Burgen von Bellinzona, die ich bisher allenfalls nur aus dem Vorbeifahren kannte. Dort realisierte ich, dass wir in der Schweiz auch eine chinesische Mauer haben! Doppelt geführt zieht sie sich weit von der untersten Burg, dem Castello grande, bis zur Stadt Bellinzona hinunter.  Die Anlage war fabelhaft restauriert und einfühlsam modern ergänzt worden. Und die Altstadt von Bellinzona barg mehrere hübsche Plätze und Strassenzüge.

Als grosse Kostbarkeit befindet sich dort Santa Maria delle Grazie, ein altes Franziskanerkloster ausserhalb der Mauer „fuori le mura“ – wie das ja oft bei Bettelordensklöstern der Fall ist. Ähnlich wie in Varallo und wohl auch zur gleichen Zeit entstanden ist die ganze Lettnerwand mit Szenen aus dem Leben Jesu und seiner Passion bedeckt – ein wunderschöner Renaissance-Freskenzyklus, dessen Urheber nicht bekannt sind; er dürfte aber auch dem Umkreis von Gaudenzio Ferrari zuzurechnen sein.

Auch für meine Freunde war es eine freudige Entdeckung, die der inzwischen sanft rieselnde Regen nicht zu trüben vermochte. Bester Dinge begaben wir uns wieder nach Orselina, wo ich mit einem wunderbaren Abendessen verwöhnt wurde und hinterher selig dem schönen Tag nachträumte.