Renoirs Frühwerke im Kunstmuseum Basel

Auf Renoir trifft das Cliché von einem jungen Mann einfacher Herkunft, der im Paris des 19. Jahrhunderts sein Glück in der Malerei zu machen versuchte, in vieler Hinsicht zu.

Er wurde 1841 in Limoges in der kinderreichen Familie eines Schneiders geboren. 1845 übersiedelten sie in die boomende Grossstadt Paris, wo sie sich ein besseres Auskommen erhofften. In diesen Jahren hatte George Eugène Haussmann (1809-1891) begonnen, im Auftrag von Napoléon III. (1808-1873, Kaiser von 1852-1870) die Stadt vermittels neuer Strukturen, grosser Sichtachsen und Plätze sowie zahlreicher Grünanlagen zu einer repräsentativen Metropole des Industriezeitalters grundlegend umzugestalten. Paris wurde gleichsam damals neu erfunden, und in dieser Umbruchphase wuchs Renoir auf.

Schon sehr jung machte er eine vierjährige Lehre als Porzellanmaler; seine Ausbildung ergänzte er durch den Besuch des Zeichenunterrichts beim Bildhauer Caillouette (1790-1868), der eine der zahlreichen Zeichen- und Malschulen in Paris leitete. Diese Künstlerschulen und sonstige Ausbildungsstätten sind ein wichtiges Phänomen dieser Zeit, sie haben, gerade auch im Fall von Renoir, zur Entstehung wichtiger Künstlerfreundschaften und Netzwerken beigetragen.

Renoir arbeitet als vielseitiger Dekorationskünstler, bemalt Fächer, bald auch die immer mehr gefragten Blenden und Kaschierungen. Dank der Empfehlung eines Restaurators erhält er ab 1860 die Erlaubnis, im Louvre zu kopieren (1860-1864). Für ihn ist die intensive Auseinandersetzung mit den Malern des 18. Jahrhunderts wie Watteau, Fragonard und Boucher von grundlegender Bedeutung. Ebenso ist sein Eintritt in das Atelier von Charles Gleyre 1861 eine wichtige Weichenstellung in seinem Leben, in erster Linie, weil er dort mit einem Kreis junger Künstler bekannt wird, mit denen er über Jahre in intensivem Kontakt und künstlerischen Austausch bleibt: Sisley, Bazille und Monet. (Auch auf Whistler trifft er dort.)

Ein neuer Lebensabschnitt beginnt 1863, in welchem sich Renoir, Bazille, Sisley und Monet in ein Dorf in der Nähe von Barbizon begeben, um in der Natur vor dem Motiv malen. Den Anfang damit hatte an diesem Ort  wenige Jahre zuvor Théodore Rousseau mit seiner Malerkolonie, der École de Barbizon, gemacht, deren Mitglieder sich durch ihre gemeinsame Abkehr vom akademischen Malen auszeichneten. Einer der Ältesten und Berühmtesten dieser Gruppe war der allseits verehrte Camille Corot (1796-1875), auch Jean-Francois Millet (1814-1875) zählte dazu.

Ihre kleinformatigen Landschaften (paysages intimes) bildeten einen krassen Gegensatz zu den traditionellen gross angelegten Figurenbildern, auf welchen in der akademischen Malerei der Schwerpunkt lag und die im allgemeinen Ansehen an erster Stelle standen. Auch war es bis dahin üblich, mit Öl nur im Atelier zu malen, vor Ort wurden allenfalls Naturstudien gezeichnet. Seit einigen Jahrzehnten erleichterte jedoch die Erfindung von Tubenfarben die Pleinairmalerei. Und mit der Eisenbahn wurden die ländlichen Ziele leichter erreichbar.

Damit wandelten die jungen Maler auf neuartigen Pfaden. Gleichwohl wünschten sie sich nichts heftiger als die Anerkennung ihrer Arbeiten im Salon. Der Pariser Salon war die bedeutendste französische Kunstausstellung. Die Jury, die bestimmte, welche Bilder dort ausgestellt wurden, war jedoch dem traditionellen Geschmack der Kunstakademien verpflichtet, wie er beispielsweise an der École des Beaux-Arts gelehrt wurde.[1] Als 1863 drei Fünftel der der 5000 eingereichten Bilder von der Jury des Salons abgelehnt wurde, entschloss sich Napoléon III. zu dem ungewöhnlichen Schritt, als Parallelausstellung einen „Salon des Refusés“ zu schaffen. Die 3000 abgelehnten Bilder wurden daraufhin im 1855 für die Weltausstellung errichteten Palais de l’Industrie ausgestellt.

Erstmals 1864 findet Renoir mit einem historischen Figurenbild, das er später zerstört, Zugang zum „Salon“. In diesem Jahr portraitiert er seinen Freund Alfred Sisley (Kat 3) und Mitglieder der ihm freundschaftlich verbundenen wohlhabenden Familie La Porte (Kat 1), bei welcher er 1862 auch schon  gewohnt hat.

1865 begeben sich Renoir, Sisley und der Architekt Jules Le Coeur in dessen Haus in Marlotte, 75 km von Paris, das sich zu einem veritablen Künstlertreffpunkt entwickelt. Dort trifft Renoir Courbet und Corot und begegnet seiner ersten grossen Liebe, Lise Tréhot, der Schwester von Le Coeurs Freundin Clémence. Es entsteht „La clairière“ ganz im Stile Courbets. Wieder finden Werke von Renoir Aufnahme in den Salon, ein Portrait und eine Landschaft. Er wohnt in Paris bei Jules Le Coeur, auch bei Sisley. Gemeinsam fahren Bazille und Renoir zur Regatta in Le Havre, später malen sie mit Sisley zusammen im Wald von La Celle-Saint-Cloud (Kat. 4).

Im Winter 1866 lädt der Onkel von Jules Le Coeur Renoir ein, drei Gemälde im Kunstverein von Pau auszustellen. Renoir, Sisley und Le Coeur ziehen durch den Wald von Fontainebleau, wobei sie wieder in Marlotte wohnen. Im Sommer reisen Renoir und Sisley an die Küste, wo Charles Le Coeur ein Haus gemietet hat.

1867, im Jahr der Weltausstellung, haben Bazille und Renoir ein gemeinsames Atelier, auch das Jahr darauf, z.T. noch mit Sisley; beide portraitieren sich gegenseitig. Renoirs „Diana“ und die Werke von Bazille, Monet, Sisley, Pissarro, Manet, Cézanne werden vom „Salon“ abgelehnt. Monet und Renoir arbeiten gemeinsam am Thema Stadtansichten von Paris

Renoir hat seine Lebenseinstellung gerne mit einem Korken auf dem Wasser verglichen: immer obenauf  schwimmend und fähig, sich schnell reagierend nach verschiedenen Richtungen zu wenden. Das wird an seiner Fähigkeit, Lise ganz unterschiedlich darzustellen und zu charakterisieren, besonders deutlich. Mal erscheint sie als bürgerlich modische Dame, mal als eine etwas zwielichtig frivol angehauchte Papageienbesitzerin oder eine melancholisch versonnene junge Frau aus einfachen Verhältnissen., ja sogar als Nymphe, die als nacktes Naturwesen im Waldesgrün erscheint. Mit Lise als Odaliske startet Renoir einen weiteren Versuch, beim Salon angenommen zu werden.

In der ländlichen Zurückgezogenheit von Ville d’Avray wird 1868 der Sohn von Renoir und Lise geboren, „Vater unbekannt“. Renoir hat sich Zeit seines Lebens nie zu seiner Verbindung mit Lise und ihren beiden Kindern bekannt. 1872 trennt sie sich von ihm, um einen Architekten zu heiraten.

Auch stilistisch ist Renoir sehr wendig; seinen frühen Landschaften sieht man die Nähe zu Courbet und Corot an, manche seiner Figurenbilder erinnern stark an Manet. Eine besonders grosse Nähe besteht zu Monet, sie scheint auf einer Art Seelenverwandtschaft zu beruhen, die zumindest in den Jahren 1868 bis 1876 anhält.



 [1]In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Jury jedoch zunehmend in die Kritik geraten. Innerhalb der Jury spielten sich zahllose Intrigen ab, um die Aufnahme bestimmter Künstler sicherzustellen, denn im Pariser Salon ausgestellt, in der Presse gute Besprechungen zu erhalten und gegebenenfalls sogar mit einer Auszeichnung bedacht zu werden, war für einen Maler ein sicherer Weg, auch finanziell Erfolg zu haben. Abgelehnte Bilder waren selten verkäuflich. Von dem Maler Jongkind ist überliefert, dass er den Kaufpreis für ein von der Jury nicht angenommenes Gemälde wieder zurückzahlen musste. Eine Zeitlang wurde auf die Keilrahmen der für die Ausstellung eingereichten und abgewiesenen Bilder sogar ein „R“ für „Refusé“ gestempelt. 1863 war die Zahl der Gemälde, die ein Künstler der Jury für den Pariser Salon einreichen durfte, auf drei Bilder beschränkt worden. Bereits diese Entscheidung war in den französischen Künstlerkreisen auf große Kritik gestoßen.