Reise zu den Monti Sacri im Piemont. Teil 4: Am Ortasee
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Am Abhang oberhalb der Ortschaft San Giulio am Ortasee mit der uralten vorgelagerten Insel liegt in einer parkartigen Landschaft mit alten Bäumen der Sacro Monte d‘ Orta, der mit seinen zwanzig Kapellen ganz dem Leben des heiligen Franz von Assisi gewidmet ist. Wie vor sechs Jahren, als ich beschloss, dem Phänomen der Monti Sacri weiter nachzugehen, schlug mich allein schon die Gegend mit ihrem Ausblick über den kleinen See bis zur Madonna del Sasso am anderen Ufer in ihren Bann.
Ein freundlicher Hüter des Sacro Monte begrüsste mich und liess mir noch etwas Zeit, um den zwanzig Kapellen nachzugehen, kleine ausgemalte Kirchlein der Spätrenaissance, die jeweils wie in einem Theaterraum Stationen im Leben des Franz von Assisi illustrieren. Als man 1591 damit begann, hätten es sogar 50 Kapellen werden sollen! Aber auch jetzt gab es mehr zu sehen, als ein Auge fassen kann. Fast vierhundert bunt bemalte lebensgrosse Figuren aus Terracotta mit dramatischen Gesten und in malerischen Gewändern bevölkern die illusionistisch ausgemalten Innenräume. Unzählige Künstler müssen daran beteiligt gewesen sein. Vollendet wurden sie erst nach mehr als eineinhalb Jahrhunderten. Damit die Pilger die richtige Abfolge fanden, sind die Kapellen numeriert und eine gemalte Hand weist jeweils die Richtung zur nächsten Station.
Es war eine unbeschreibliche Wonne und sehr erholsam, inmitten dieses Vogelkonzertes und herrlichem Pflanzenduft auf den altehrwürdigen Pilgerpfaden zu wandeln und immer wieder Einblick zu nehmen in die tönernen Versammlungen von lebensgrossen Figuren, die wie in einem Filmstill auf der Höhe eines Augenblicks festgehalten sind, oft verbunden mit heiteren Visionen eines von unzähligen Engeln bevölkerten Paradieses. Spuren unzähliger Besucher sind zurückgeblieben: abgegriffene Holzrahmen, auch Graffiti, durch neugierige Verehrung erweiterte Schutzvergitterungen…
Bei Sonnenuntergang spazierte ich nach S. Giulio hinunter und verzehrte direkt am See bei leisem Wellenrauschen mit Blick auf die Insel eine Bilderbuchpizza. Auch Enten und Spatzen versuchten ihr Glück in der Pizzeria, und am Nebentisch gab ein mittelalterliches Paar aus Hessen Kabarett life zum Besten. Mein Heimweg führte dem See entlang zurück zu meiner gastlichen Unterkunft, wo mich auf der Veranda Mariagrazia mit einer abendlichen Tasse Eisenkrauttee und einer gemütlichen Unterhaltung mit viel Gelächter erwartete.